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Wie man mit Argumenten gegen Evolution umgehen sollte            

Evolutionsgegner verfügen über ein umfangreiches Repertoire an Argumenten, die in der Evolutionskontroverse nach einem mehr oder minder standardisierten Schema abgerufen werden. Wer sich mit den Aussagen des Kreationismus (im weitesten Sinne) gegen die Evolutionstheorie auseinandersetzen will oder muß, sollte daher die gängigsten Einwände kennen und gegen sie gewappnet sein. Wir wollen daher im folgenden die 10 gängigsten Einwände stichwortartig wiedergegeben und kurz besprechen. Die Liste läßt sich beliebig erweitern. Für eine gründlichere Auseinandersetzung seien dem Leser die im Text genannten Artikel und Internetseiten anempfohlen.

                                                                                                                                      

1. "Die Evolutionstheorie enthält Postulate, die nicht naturwissenschaftlich erforschbar (unbeweisbar) sind."

Diesen und ähnlichen Behauptungen liegt die wissenschaftstheoretische Annahme zugrunde, daß sich Naturwissenschaft nur und ausschließlich mit dem direkt Beobachtbaren oder mit experimentell zugänglichen Erkenntnisgegenständen zu beschäftigen habe. Da vergangene Entwicklungsabläufe und "Makroevolution" weder experimentell nachweisbar noch direkt beobachbar sind, müßte die Abstammungshypothese und damit die umfassende Evolutionstheorie aus den Naturwissenschaften herausfallen. Dies ermöglicht es den Antievolutionisten, ihren Schöpfungsmythos als gleichberechtigte Alternative dem Evolutionsgedanken entgegenzusetzen:

"In diesem Sinne sind allgemeine Evolutions- und Schöpfungsvorstellungen vergleichbar, und zunächst ist keine der beiden 'wissenschaftlicher' als die andere. Beide Sichtweisen enthalten letztlich Grenzüberschreitungen, weil ihre Grundlagen außerwissenschaftlicher (metaphysischer, philosophischer, weltanschaulicher, religiöser) Art sind (...) Auf Ursprungsfragen sind naturwissenschaftliche Erkenntnismethoden nur beschränkt anwendbar." (JUNKER und SCHERER, 1998, S. 20)

Gegenargumente:

Wäre die erkenntnistheoretische Richtung des Empirismus (derzufolge sich Wissenschaft nur mit dem direkt Beobachtbaren und jederzeit Feststellbaren beschäftigen darf), richtig, dürfte sich Naturwissenschaft nicht nur nicht mit den historisch vergangenen und unbeobachtbaren Aspekten der Evolution, sondern auch nicht mit Disziplinen wie der Kosmologie, der Geologie oder aber mit unbeobachtbaren Objekten wie Schwarzen Löchern, Elementarteilchen oder Atomen beschäftigen.

Weisen Sie darauf hin, daß auch Experimente, wie etwa das Klicken im Geigerzähler oder die Gesetzmäßigkeiten chemischer Reaktionen niemals sichere "Beweise" für postulierte Fakten, wie den Kernzerfall oder die Existenz von Atomen liefern, sondern immer nur im Rahmen vorgefaßter Theorien interpretiert und gedeutet werden können. Betonen Sie, daß kein Mensch auf die Idee käme, die Atomtheorie (nur weil Atome nicht beobachtbar sind) als "außerwissenschaftliche Vorgabe einer Teilchenvorstellung" und die Experimente, die den Erwartungen der Atomtheorie entsprechen, als "Deutungen im Rahmen einer Grenzüberschreitung" zu bezeichnen. Naturwissenschaft ist gerade die Wissenschaft vom Unbeobachtbaren, das durch Theorienbildung und Dateninterpretation erschlossen wird. Wissenschaft kann niemals nach sicheren "Beweisen" und Wahrheiten, sondern immer nur nach (fehlbaren) Belegen und Erklärungen suchen!

Wissenschafts- und erkenntnistheoretische Grundlagen                           

(!!!) Wichtiger Hinweis:

Argumentieren Sie nicht, Evolution sei eine "gesicherte Tatsache" und durch viele Beobachtungen "bewiesen". Direkt nachweisen kann man immer nur Evolution, die sich auf demselben Komplexitätsniveau abspielt ("Mikroevolution"). Evolution als Gesamtprozeß ist dagegen nicht beobachtbar und keine"gesicherte Tatsache". Das gilt wie betont natürlich auch für praktisch alle anderen Erkenntnisgegenstände der Naturwissenschaft, wie Atome, Schwarze Löcher, nichteuklidische Räume, Elementarteilchen usw. Daher läßt sich aus der Feststellung, daß Evolution keine "gesichterte Tatsache" ist, der Evolutionstheorie kein wissenschaftstheortischer Strick drehen.

                                                                                                             

2. "Man kann Beobachtungen nicht nur im Lichte der Evolutionstheorie, sondern auch zugunsten der Schöpfungstheorie interpretieren. Evolution ist nur eine Deutungsmöglichkeit, keine Deutungsnotwendigkeit."

Gegenargumente:

Natürlich kann man grundsätzlich für jede nur denkbare Beobachtung übernatürliche Ursachen annehmen. So kann man etwa die Ähnlichkeit zwischen den Arten als Hinweis auf ein "göttliches Baukastenprinzip" werten, genauso gut aber auch den gegenteiligen Befund (die vollkommene Unähnlichkeit der Arten) mit der "Phantasie des Schöpfers" erklären. Entsprechend kann man mit der Schöpfungsthese den systematischen, gleichzeitig auch und den denkbaren Fall des völlig unsystematischen Verlaufs der Geschichte des Lebens erklären. Mit Schöpfung läßt sich eine ganz junge Erde (JUNKER und SCHERER), gleichermaßen aber auch eine alte (LÖNNIG) in Einklang bringen. Selbst wenn im Experiment die Höherentwicklung der Arten nachgewiesen wäre, ließe sich immer behaupten, daß der Schöpfer nach demselben Prinzip die Arten erschaffen habe. Und wenn der ganze Stammbaum auf dem Kopf stünde und sich alles vom Komplexen hin zum Primitiven entwickelt hätte, wäre das kein "Problemfall", der nicht im Lichte der Schöpfungstheorie gedeutet werden könnte.

Kurzum: Die Daten können aussehen wie sie wollen, nichts widerspricht Schöpfung. Theorien, die aber einen Fall A und den gegenteiligen Fall Nicht-A gleichermaßen problemlos erklären, erklären gar nichts. Deshalb ist Schöpfung zwar immer eine logisch-attraktive Denkmöglichkeit, aber keine wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie (vgl. MAHNER, 1986; KANITSCHEIDER, 2000).

Warum Schöpfungstheorien nicht wissenschaftlich sein können

                                                    

3. "Viele Aussagen der Evolutionstheorie, wie etwa die Abstammungshypothese, sind nicht widerlegbar. Beobachtungen, die nicht ins Konzept der Evolutionstheorie passen, führen nicht zur Widerlegung, sondern zur Modifikation derselben."

Gegenargumente:

Hier muß zwischen der Falsifizierbarkeit (Widerlegbarkeit) von Theorien in der Praxis und der prinzipiellen (logischen) Widerlegbarkeit von Theorien unterschieden werden (MAHNER, 2001; POPPER, 1994). Wissenschaftliche Theorien sind zwar prinzipiell zu widerlegen aber kaum in der Praxis.

Eine Hypothese oder Theorie gilt dann als prinzipiell falsifiziert, wenn es Beobachtungen gibt, die im Widerspruch zu ihr stehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beobachtung je machbar ist, sondern nur, daß sie denkbar ist. Nur Theorien, die prinzipiell widerlegbar sind, können wissenschaftlich sein. Schöpfungstheorien sind nicht wissenschaftlich, weil keine Beobachtung mit der Schöpferthese im Widerspruch steht (siehe oben). Dahingegen wäre die Abstammungshypothese ("Makroevolution") prinzipiell widerlegt, wenn man völlig unähnliche Arten fände oder die Formen im Fossilienbefund unsystematisch aufeinanderfolgten (das wäre etwa der Fall, wenn man ein Säugetier in einem Sediment fände, in dem es noch keine Reptilien gab). Auch der Nachweis der gleichzeitigen Entstehung aller Tier- und Pflanzengruppen würde die Evolutionstheorie logisch widerlegen.

Eine logische Falsifikation führt aber nicht unbedingt zur praktischen Verwerfung einer wissenschaftlichen Theorie, denn für eine Falsifikation kann ja auch eine falsche Hilfsannahme oder die irrige Interpretation einer Beobachtung verantwortlich sein. Auch wenn die Theorie selbst für die Falsifikation verantwortlich ist, führt dies in der wissenschaftlichen Praxis fast nie zu deren Aufgabe. Wissenschaftlicher Fortschritt ist ja nur dadurch möglich, daß Theorien, die logisch falsifiziert worden sind, nicht verworfen, sondern schrittweise modifiziert und abgeändert werden, so daß sie mehr erklären als die "älteren" Versionen.

So hat beispielsweise die logische Falsifikation des "Rutherfordschen Atommodells" nicht zur völligen Aufgabe der Atomvorstellung geführt, sondern zu deren Modifikation, die in der Entwicklung des "Bohrschen Atommodells" gipfelte. Dessen Falsifikation führte wiederum zur Entwicklung des "wellenmechanischen Atommodells" (weitere Beispiele benennt CHALMERS, 2001).

Wissenschafts- und erkenntnistheoretische Grundlagen

                                                                                

4. "Es gibt soviele offene Fragen und Probleme, so daß Evolution insgesamt als zweifelhaft oder widerlegt gilt."

Gegenargumente:   

Es wird hier vergessen, daß die Evolutionstheorie aus zwei Bereichen besteht, zum einen aus der Deszendenz- (Abstammungs-) Hypothese, welche die Verwandtschaft der Lebewesen, also deren Abstammung von einer oder einigen wenigen Stammarten lehrt, sowie aus verschiedenen Kausaltheorien, welche die Ursachen und Mechanismen evolutiver Veränderung zum Thema haben. Beide Bereiche sind insofern logisch unabhängig, als beispielsweise, selbst wenn sich alle Kausaltheorien (wie etwa die Selektionstheorie) als falsch herausstellen würden, nicht folgte, daß damit die Deszendenzhypothese falsch wäre. Daher können Kritiker aus der Feststellung, daß dieser Mechanismus oder jener Entwicklungsschritt noch nicht gelöst oder aber unzureichend zur Erklärung dieser oder jener Anpassung sei, die umfassende Evolution nicht infragestellen, für die ja unabhängig von der Kausalfrage eine Unzahl an Belegen spricht. Kurzum: Ursachenfragen bilden nicht die Grundlage der Abstammungshypothese und der Vorstellung von der Evolution allgemein, die es immer wieder neu zu begründen gälte. Offene Detailfragen über den Ablauf und die Triebkräfte der Evolution sind mit anderen Worten Antrieb der Evolutionsforschung. Stellen Sie allgemein fest, daß die Grundfrage der Evolution vom Stand der Ursachen- und Historienforschung logisch unabhängig ist! (vgl. REMANE et al., 1973, S. 10; GÜNTHER, 1967; MAHNER, 1986).

Im übrigen sind unvollständig erklärte und unvollständig beschriebene Sachverhalte der Normalfall in der empirischen Wissenschaft. Offene Fragen kann man nicht für die Widerlegung einer Theorie halten. Man muß sie im Rahmen eines Forschungsprogramms klären und die Theorie sukzessive modifizieren. Nicht anders funktioniert Wissenschaft.  

(!!!) Wichtiger Hinweis:

Lassen Sie sich in der Auseinandersetzung mit Antievolutionisten nicht auf Diskussionen ein, in denen Sie aufgefordert werden, diesen oder jenen Entwicklungsschritt in der Evolution zu erklären! Angesichts der Existenz von über 2 Millionen rezenten Arten wird es einem sachlich kundigen und uneinsichtigen Evolutionskritiker niemals an Beispielen mangeln um zu zeigen, daß viele Schritte in der Entstehung eines bestimmten Merkmals noch nicht geklärt wurden. Wer sich dennoch für die zweifelhaften Behauptungen, die Evolutionsmechanismen und Fossilien seien ungeeignet, um "Makroevolution" zu erklären und die entsprechenden Gegenargumente interessiert, der sei auf die folgenden Internetseiten und Artikel verwiesen (VOLLMER, 1986, S. 20 ff.):

Über die Systemtheorie der Evolution, "Makroevolution" und Evolutionsmechanismen

Die Rekonstruktion der Stammesgeschichte: phylogenetische Systematik, Fossilien, Übergangsformen und Artbildung

                                                                        

5. "Makroevolution ist aus wahrscheinlichkeitstheoretischen Gründen unglaubhaft."

Gegenargumente:

Es läßt sich zeigen, daß man mit dieser Argumentation alle Ereignisse beliebig unwahrscheinlich machen und sie als nichtrealisierbar ausgeben könnte. Ein Beispiel: Man denke sich einen Spieler, der die Aufgabe bekäme, hundertmal in Folge zu würfeln und die Zahlen der Reihe nach auf ein Blatt Papier zu schreiben. Jetzt läßt sich feststellen, daß die Wahrscheinlichkeit, die realisierte Zahlensequenz zu bekommen (1/6)100, also "fast Null" beträgt. Der Auffassung des Kreationismus entsprechend muß nun der Schluß gezogen werden, daß die Entstehung solcher Zahlenreihen "außerhalb des Bereichs der Wahrscheinlichkeit der sich auf unserer Erde abspielenden Zufallsprozesse" liege.

Der Fehler liegt darin, daß Wahrscheinlichkeitsberechnungen die Prämisse zugrunde liegt, ganz bestimmte Ereignisse reproduziert zu bekommen. Weder beim Würfeln noch in der Evolution müssen jedoch konkrete Konfigurationen realisiert werden, denn es reicht ja bereits, wenn einem System durch Modifikation irgendein beliebiger Überlebensvorteil erwächst. Die Frage kann also nicht lauten "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine bestimmte Menge von selektionspositiven Veränderungen im Organismus eintritt?", sondern es muß gefragt werden "Wie wahrscheinlich ist die Entstehung irgendeiner vorteilhaften Systemveränderung?".

Es ist aber nicht bekannt, welche Biomoleküle unter welchen Bedingungen einem Organismus einen Überlebensvorteil bescheren können, welche Gene wie miteinander verschaltet werden können, damit sich eine vorteilhafte Genwirkkette bildet, wieviele Möglichkeiten es gibt, um irgendeine Struktur sinnvoll mit irgendeiner anderen zu kombinieren, wieviele Mehrfachfunktionen ein Organ ausüben kann, wieviele Möglichkeiten es gibt, um überhaupt Leben zu erschaffen usw. Daß solche Randbedingungen viel zu wenig erhellt sind, ist ein unstrittiges Faktum. Mit diesem Nichtwissen im Rücken läßt sich keine Evolutionskritik und Wahrscheinlichkeitsanalyse betreiben, denn die Richtigkeit der von Evolutionsgegnern erhobenen "Minimalforderungen" ist damit kaum nachweisbar.  

(vgl. auch: MAHNER, 1986; RIEDL, 1990, S. 176 und 352 und folgende Internet-Seite:)

Evolution und Wahrscheinlichkeit - Entstehung von Leben

                                                                                                  

6. "Fehlende Übergangsformen zwischen den hierarchischen Kategorien und die unsystematische (mosaikartige) Verteilung von Merkmalen sprechen gegen Makroevolution."

Gegenargumente:

Die Fossilisation ist von einer Vielzahl günstiger Umstände abhängig. Im Regelfalle werden tote Tierkörper und Pflanzenreste schnell der Verwesung preisgegeben. Hartschalige Überreste sind, insbesondere in ehemals marinen Habitaten, häufiger anzutreffen, was allerdings voraussetzt, daß Ablagerung und nicht Abtragung dominiert. Desweiteren dürfen die in Sedimente eingebetteten Überreste nicht im Laufe der Erdgeschichte infolge des Kontakts mit Magma im Erdmantel, hoher Drücke oder durch Erosion zerstört werden, was oft der Fall ist. Und schließlich müssen Fossilien erst einmal gefunden werden, bevor man sie paläobiologisch einordnen kann. Argumentieren Sie deshalb, daß der Fund eines Fossils ein echter Glücksfall darstellt. Dies verdeutlicht auch folgende Relation: In allen Museen der Welt hat man bis heute nicht mehr als ca. 250.000 Arten ausgestellt, die einen Zeitraum von ca. 600 Millionen Jahren repräsentieren. Allein die Zahl der heute lebenden Arten übersteigt diesen Wert aber bereits um rund das zehnfache, was eindrucksvoll die Existenz von Überlieferungslücken belegt!

Weisen Sie außerdem darauf hin, daß auch "systematische Lücken" zu einem großen Teil Trugbilder sind, die ihre Wurzel in deren Einordnung in die fiktiven Schubladen der hierarchischen Kategorien (Gattungen, Familien, Ordnungen, Klassen usw.) haben:

"Wenn man sich Kunstgebilde herstellt, wie es die Typen des Systemes sind, wenn man das tierische System in die 'Zwangsjacke der Typenlehren' (Groß) steckt, dann kann man sich schließlich nicht wundern, 'daß die Lückenhaftigkeit der Überlieferung ausgerechnet immer nur diese Generationenfolgen zwischen den Bauplänen' betrifft."

(HEBERER, 1943, S. 251)

         

Stellen Sie desweiteren fest, daß sich die Fossilien - wie evolutionstheoretisch zu erwarten ist - systematisch verändern und sich mit abnehmendem Alter in ihrer Form immer mehr den heute lebenden Arten angleichen. Fragen Sie bei der Gelegenheit auch, wie eine Fossilienreihe aussehen müßte, damit die Schöpfungsidee prinzipiell widerlegt wäre. Es zeigt sich, daß die Behauptung, Fossilien würden auf eine Schöpfung hindeuten, prinzipiell nicht widerlegt werden kann. Die Schöpfungsalternative erklärt so gesehen überhaupt nichts: Was man auch immer in der Natur findet, alles läßt sich mit der "Phantasie des Schöpfers" erklären (zu all dem vgl. MAHNER, 1986, S. 60; MAYR, 1967, S. 465 f.; REMANE et al., 1973, S. 32).

Schließlich ist die erhobene Forderung, daß die Merkmale bei fossil überlieferten Übergangsformen nicht mosaikartig verteilt sein dürften, sondern in allen Charakteren eine Mittelstellung zwischen den zu überbrückenden Organismengruppen einnehmen müssen, unsinnig (MAYR, REMANE et al.). Artspaltung und die unterschiedlichen Evolutionsgeschwindigkeiten der Merkmale haben ja gerade den Mosaikmodus der Evolution zur Folge. Evolution verläuft also nicht, wie der Antievolutionist irrigerweise glaubt, über ein lückenloses Formenkontinuum, sondern mosaikartig.

Die Rekonstruktion der Stammesgeschichte: Fossilien, Übergangsformen und Artbildung

                                       

7. "Im Experiment lassen sich immer nur Mutationen nachweisen, die zur Variation von bereits bestehenden Bauplänen führen. Echte Höherentwicklung ist nicht nachweisbar und derzeit auch nicht mechanistisch erklärbar."

Gegenargument:

Es kann im Experiment kaum gelingen, Höherentwicklung ("Makroevolution") nachzuweisen, weil wir die Daten gleichsam immer nur aus der "Mausperspektive" beurteilen und einen viel zu kurzen Zeitabschnitt empirisch direkt verfolgen können, als daß etwas anderes als "Mikroevolution" zu beobachten wäre.

Schließlich fehlen den Biologen auch geeignete Selektionsmechanismen um entscheiden zu können, welche Merkmale "erfolgversprechend" sind, um einen neuen Typ aufzubauen. Man kann gewiß willkürlich neue Phänotypen heranzüchten und gezielt sein Augenmerk auf ein bestimmtes Merkmal richten. Um einen völlig neuen "Organisationstyp" herauszupräparieren, müssen aber neue Gewebsstrukturen auf- oder angebaut werden, die auch im Hinblick auf das "Binnenmilieu" hinreichend stabil sind und dem Organismus eine größere Komplexität und neue Eigenschaften verschaffen. Solche kleine erfolgversprechende phänotypische Veränderungen (die sich zunächst einmal auf der molekularen, zellulären oder organischen Ebene abspielen), werden im Ansatz entweder gar nicht erkannt oder aber irrtümlicherweise als "Mißbildungen" verkannt werden. Es ist dagegen kaum zu vermeiden, daß der Experimentator immer wieder Mutanten auswählt, die aufgrund innerer Mißbildungen und ungünstiger Genkombinationen untüchtiger sind als deren Vorgänger. Im Laufe der Zeit werden sich auch immer mehr unsichtbare Mutationen aufsummieren, die sich zunehmend ungünstig auf die Fitneß der Mutanten auswirken.

Hier wird besonders deutlich, daß sich Naturwissenschaft nicht auf das direkt beobachtbare beschränken darf, sondern über den Tellerrand unserer beschränkten Erkenntnisfähigkeit hinauszublicken hat. Auch die Behauptung, daß die Mechanismen noch nicht nachgewiesen werden konnten, welche die Entstehung von etwas grundsätzlich Neuem erklären könnten, ist anfechtbar und wurde insbesondere von den Verfechtern der Systemtheorie der Evolution infragegestellt. An dieser Stelle können wir hier nicht auf Details eingehen und nur auf den folgenden Essay verweisen:

Über die Systemtheorie der Evolution, "Makroevolution" und Evolutionsmechanismen

                               

8. "Die Evolutionstheorie widerspricht den Aussagen der Bibel und läßt sich nicht mit dem Glauben vereinbaren."

Gegenargumente:

Die Evolutionstheorie widerlegt weder die Existenz eines Schöpfers noch läßt sie sich nicht mit dem Glauben vereinbaren. Die meisten Christen (und selbst der Papst!) sind von der Richtigkeit des Evolutionsgedankens überzeugt, weil sie annehmen, daß Gott ein Universum geschaffen hat, das sich von selbst (naturalistisch) entwickelt. Wird die Bibel jedoch nicht als metaphorisches Zeitdokument, sondern wortwörtlich verstanden, muß man annehmen, daß das Universum 6000 Jahre als sei, in 7 Tagen erschaffen wurde und daß ein Schöpfer beständig in die Entwicklung der Welt eingegriffen hat. Eine derart archaische Glaubensvorstellung läßt sich in der Tat nicht mit der Evolutionstheorie unter einen Hut bekommen.

Betonen Sie, daß hier der wortwörtliche Bibeltext mit praktisch allen wissenschaftlichen Disziplinen, Theorien und Erkenntnissen auf dem Kriegsfuß steht! Hätte die Bibel nämlich recht, dann wäre nicht nur die Evolutionstheorie falsch, sondern auch alle Theorien, auf die sie zurückgreift. Entsprechend müßte nicht nur die Evolutionstheorie völlig umgeschrieben werden, sondern auch die gesamte Erdgeschichte. Zuerst käme die Geologie und Paläontologie dran. Weil die Geologie auf radiometrische Altersbestimmungen zurückgreift, müßten auch die entsprechenden physikalischen und chemischen Theorien, die diese zum Inhalt haben, falsch sein. Selbstverständlich bräuchten wir dann auch keine Biogeographie mehr, und auch die Theorie der Plattentektonik fiele unter den Tisch. Noch schlimmer erginge es den kosmologischen und astrophysikalischen Theorien, denn innerhalb der sich nach Jahrmilliarden bemessenden Zeiträume ginge es auch in der Entstehung und Entwicklung des Universums mit "rechten Dingen" zu. Schließlich könnte man auch behaupten, daß die Experimente in der Physik und Chemie von einem Schöpfer gesteuert würden.

Eine Theorie, die jedoch alle neuen Erkenntnisse leugnet und praktisch alle Theorien der modernen Wissenschaft über den Haufen fegt, kann selbst weder rational begründbar noch wissenschaftlich, geschweige denn erkenntnistheoretisch wertvoll sein. Stellen Sie fest, daß insbesondere die radioaktiven Zerfallsgesetze empirisch (!) feststellbar sind und damit auch das Alter der Erde, das nach der äußerst zuverlässigen Isochronmethode zu 4,55 Milliarden Jahre bestimmt wurde. Es gibt keine einzige Evidenz für eine "junge Erde", geschweige denn für eine Sintflut.

                     

9. "Die Wissenschaft schließt - trotz der Existenz von Erklärungsproblemen - Schöpfung als Erklärungsursache aus. Sie ist daher dogmatisch naturalistisch ausgerichtet."

Gegenargumente:

Naturwissenschaften können prinzipiell nur naturalistisch operieren, das heißt, sie müssen Schöpfung als Erklärung methodisch ausschließen. In diesem Sinne sind sie nicht "methodisch atheistisch", sondern generell streng asupernaturalistisch ausgerichtet. Diese Ontologie liegt nicht nur allen experimentell zugänglichen Disziplinen und Theorien zugrunde, sondern auch allen historisch-theoretischen Ansätzen. Wissenschaft kann schlicht und ergreifend keine Aussagen über einen empirisch durch nichts zu widerlegenden Schöpfer machen, sondern nur auf die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zurückgreifen.

Um überhaupt eine Beobachtung erklären zu können, müssen gesetzmäßige Aussagen formuliert werden. Nur Gesetzesaussagen kann man prüfen und prinzipiell widerlegen. Ein Schöpfer unterliegt jedoch keinen gesetzesmäßigen Zwängen, weil er "allmächtig" ist. Folglich läßt sich jede nur denkbare Beobachtung auf die freie Entschlußkraft eines Schöpfers zurückführen, und es ist einfach nicht mehr entscheidbar, welche Daten die Revision der Schöpfungsthese notwendig machen könnten. Unter solchen Voraussetzungen wäre kein wissenschaftlicher Fortschritt möglich, denn er setzt ja voraus, daß Theorien überprüft (oder eingeschränkter: logisch widerlegt) und gehaltsvermehrend überarbeitet werden können.

In jedem Falle ist nichts erklärt, wenn man eine bislang ungelöste Frage durch den bekannten "Lückenbüßergott" ausfüllt. Wer anhand eines offenen Problems einfach behauptet "ein Schöpfer war am Wirken", weicht dem Problem aus, denn anstelle einer Erklärung wird einfach nur der unerklärte Ratschluß eines Schöpfers bemüht. Da Wissenschaft aber nach nichts anderem sucht als nach Erklärungen, kann sie mit einer übernatürlichen Wesenheit als "erklärendes" Agens nichts anfangen.

Außerdem versperrt ein Schöpfer jeder weiteren Forschung den Weg. Wenn man alle bestehende Fragen einfach durch einen "Schöpfer" ausfüllen wollte, bliebe nichts mehr übrig, was man erklären und erforschen könnte. Die Schöpfungsidee macht also Wissenschaft überflüssig, ja sogar unmöglich. In diesem Sinne ist der Naturalismus nicht einfach eine dogmatische Gegenposition zur supernaturalistischen Schöpfungsidee, sondern erkenntnistheoretisch und methodologisch begründet. Daß es der Wissenschaft gelungen ist, ein in sich stimmiges Theoriennetzwerk zu konstruieren, macht den Naturalismus zu einer überaus heuristisch fruchtbaren Ontologie.  

                                                                                         

10. Der größte Irrtum im Antievolutionismus

Der wohl größe Irrtum in der antievolutionistischen Argumentation liegt in der originären Zielsetzung ihrer Adepten. Die Evolutionskritik kann im Rahmen der Schöpfungsidee nur dann überhaupt einen Sinn machen, wenn die vermeintliche Fragwürdigkeit des Evolutionskonzepts in Argumente für die Schöpfungsvorstellung umgemünzt werden. Stellen Sie fest, daß man, selbst wenn es gelungen wäre, die Evolutionsvorstellung komplett zu widerlegen, kein einziges Argument in Händen hielte, das die Idee von dem "intelligenten Programmierer" evident erscheinen ließe. Argumentieren Sie daher, daß, man aus der Falschheit des Evolutionsgedankens nicht die Existenz eines Schöpfers ableiten kann.

Wie wir gesehen haben, ist die Schöpfungsidee nicht einmal im Prinzip widerlegbar. Man bekommt demzufolge durch keine spezifische Beobachtung einen wirklichen Hinweis auf die Existenz eines Schöpfers. Dieses methodologische Dilemma ist der Hauptgrund für die heuristische Unfruchtbarkeit und Unwissenschaftlichkeit der Schöpfungsvorstellung. Weisen Sie unbedingt darauf hin, daß es den Schöpfungstheoretikern prinzipiell nicht gelingen kann, ihre Postulate durch Beobachtungen zu bereichern, weshalb sie auf die Destruktion der transspezifischen Evolutionsidee ausweichen müssen. Betonen Sie, daß kein Schöpfungsgläubiger zur Klärung der Frage, ob ein Schöpfer existiert, jemals einen profunden Beitrag hat leisten können.

                                 

Literaturhinweise:

Chalmers AF (2001) Wege der Wissenschaft. Einführung in die Wissenschaftstheorie. Springer, Berlin, 5. Auflage

Gassner T (2001) Kladistik und die phylogenetische Systematik. Internet-Beitrag, http://www.dinosauria.de/kladistik.html

Günther K (1967) Zur Geschichte der Abstammungslehre. - In: Heberer G (ed.) (1967) Die Evolution der Organismen, Bd. I. S. 3-60

Heberer G (1943) Experimentelle Phylogenetik und Typensprunglehre. Stellungnahme zu dem vorstehenden Aufsatz von O. H. Schindewolf: Zur Frage der sprunghaften Entwicklung. Der Biologe, 12, S. 248-255

Junker R, Scherer S (1998) Evolution - Ein kritisches Lehrbuch, Weyel

Kanitscheider B (2000) Wissen und Religion. In: Spektrum der Wissenschaften, Januar-Heft 2000. S. 8 f.

Mahner M (1986) Kreationismus - Inhalt und Struktur antievolutionistischer Argumentation. Berlin

Mahner M, Bunge M (2000) Philosophische Grundlagen der Biologie, Springer-Verlag, Berlin

Mahner M (2001) Stichwort: Falsifizierbarkeit. Naturwissenschaftliche Rundschau, 54. S. 677-678

Mayr E (1967) Artbegriff und Evolution. Berlin, Hamburg, Parey. S. 465 f.

Popper KR (1994) Zwei Bedeutungen von Falsifizierbarkeit. In: Seiffert H, Radnitzky G (Hrsg.) (1994) Handlexikon zur Wissenschaftstheorie. dtv, München

Remane A et al. (1973) Evolution. Tatsachen und Probleme der Abstammungslehre. München

Riedl R (1990) Die Ordnung des Lebendigen. Systembedingungen der Evolution. Parey-Verlag

Vollmer G (1986) Kann es von einmaligen Ereignissen eine Wissenschaft geben? In: Was können wir wissen? Bd. 2 die Erkenntnis der Natur, Hirzel, Stuttgart

  

Last update: 22.09.02     


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